Traumjob Motorradfahren - Leseprobe

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

seit 1989 verdienen Martin und ich unseren Lebensunterhalt mit Motorradfahren. Zuerst als Freischaffende in Frankreich, später als Angestellte bei deutschen Motorradzeitschriften und jetzt als Selbständige im eigenen Verlag, dem Highlights-Verlag. Wir bringen Reiseführer für Motorradfahrer, Erlebnisberichte von Motorradtravellern und Motorradkrimis heraus.
»Ihr habt ja einen Traumjob«, hören wir immer wieder, »Ihr habt euer Hobby zum Beruf gemacht!«
Stimmt. Einerseits. Andererseits ist der Beruf dann kein Hobby mehr. Das Motorrad wird zum Arbeitsplatz. Eine Tour hört auf, Urlaubsfahrt zu sein – sie mutiert zum Auftrag. Mit einer genauen Vorgabe und einem straffen Zeitplan. Und am Ende der Reise müssen Resultate vorliegen: Test, Fahrbericht, Präsentation, Reisereportage, dazu die entsprechenden Fotos. Da ist schnell Schluss mit Lustig, wenn einem im Ausland der Zündschlüssel abbricht, das Motorrad tagelang beim Zoll festhängt oder sogar einen Wasserschaden hat.
Ist das Motorradfahren trotzdem ein Traumjob?
Entscheiden Sie selbst!
In diesem Buch erzähle ich Geschichten aus einem ungewöhnlichen Leben im Motorradsattel. Mal witzig, mal spektakulär. Voller Hindernisse, Komplikationen, Hürden und Fallen …
Teilweise unglaublich – aber immer wahr.

Viel Spaß beim Lesen, Ihre Sylva Harasim


Inhalt

Vorwort 5

Kapitel 1: Führerschein Klasse A1 und A 6

Kapitel 2: Goodbye Deutschland 18

Kapitel 3: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt 29

Kapitel 4: Bitte lächeln 36

Kapitel 5: Heftabgabe 43

Kapitel 6: Die Welt ist nicht genug 51

Kapitel 7: Warmer Regen 57

Kapitel 8: Ein Motorrad im Handgepäck 69

Kapitel 9: Der etwas andere Schlüsseldienst 82

Kapitel 10: Wellenreiter 95

Kapitel 11: Alles inklusive 111

Kapitel 12: Besser spät als nie 125

Kapitel 13: Motorrad Ahoi! 138

Kapitel 14: Highlights-Verlag 150

Kapitel 15: Dies und das 161

Schlusswort 173

Danksagung 174



Kapitel 8

Ein Motorrad im Handgepäck

Regen trommelte beharrlich auf die Dachflächenfenster des Besprechungszimmers, im Flur hingen triefende Jacken und rochen nach nassem Hund. Der deutsche Wetterdienst hatte in den Morgennachrichten die miese Vorhersage für die ganze nächste Woche bedauert.
Das komplette Tourenfahrer-Team saß an diesem November-Montag lasch und müde um den massiven Konferenztisch und brütete über der Planung des nächsten Heftes. Wir sprachen über Test und Technik, sammelten Themenvorschläge und Touring News …
Routine.
Aus dem Stapel mit Korrespondenz zog der Chefredakteur die Pressemeldung einer Düsseldorfer Fluggesellschaft heraus. Diese Fluggesellschaft bot an, in der kalten Jahreszeit das eigene Motorrad in der gleichen Maschine wie die Passagiere, quasi als Handgepäck, in die Sonne zu fliegen – ein Traum für jeden Biker.
»Das probieren wir aus«, sagte er trocken.
Ein Raunen übertönte auf einmal den Regen. Quasi auf Kommando drückten wir unsere Rücken durch, von Müdigkeit keine Spur mehr. Alle waren munter wie nach einem doppelten Espresso.
Reiner Nitschke las das Anschreiben quer, blätterte in der Anlage. Die Belegschaft rutschte unruhig auf den Stühlen hin und her, scharrte mit den Füßen.
»Als Destination stehen zunächst die Kanaren auf dem Flugplan, später soll das Angebot noch auf die Balearen und sogar die USA ausgebaut werden.«
Ich blickte in die Runde, in verträumte Gesichter. Bestimmt sah sich jeder Kollege vor seinem geistigen Auge mit dem Motorrad seiner Wahl bei milden Temperaturen und würziger Luft über kleine Sträßchen bummeln, irgendwo einkehren und Kaffee trinken, mittags in der Sonne gegrillten Fisch auf die Gabel spießen.
»Teneriffa.«
»Fuerteventura.«
»La Palma.«
»Lanzarote.«
»Gran Canaria.«
»La Gomera.«
Redakteure und Fotografen riefen die bekannten Namen der Inselgruppe durcheinander, jeder scharf darauf, den Auftrag zu ergattern. Garantiert war ein solcher Trip mit einer Reisereportage verbunden, und das bedeutete so viel wie eine Woche bezahlten Urlaub. Schließlich hielten wir die Luft an und hofften auf den Jackpot.
Dann legte der Chefredakteur die Pressemeldung in Zeitlupentempo auf den Holztisch, stellte die Fingerkuppen der rechten Hand darauf und schob das Papier mit Bedacht zu Martin und mir rüber. »Die Insel könnt ihr euch selbst aussuchen.«
Bingo!
Und so standen Martin und ich ein paar Tage später bestens gelaunt in Düsseldorf am Abfertigungsschalter für den Flug nach La Palma, um Fly-and-Bike auszuprobieren, einen Tourentest und eine Reisereportage zu produzieren. Tags zuvor hatte ein Kollege den dafür vorgesehenen Einzylinder bei der Fluggesellschaft abgegeben – von uns aus konnte es losgehen.
Für La Palma hatten wir uns entschieden, weil die Insel bis jetzt ursprünglich geblieben ist, vom Massentourismus noch nicht überrollt. La Palma ist vor allem bei Wanderern beliebt. Viele Berge. Viele Bergsträßchen. Genau richtig.
Die Dame vom Bodenpersonal lächelte professionell als wir unsere Tickets abgaben, zögerte kurz beim Anblick der blauen Motorrad-Koffer auf dem Beförderungsband, klebte dann jedoch versiert die Banderolen mit dem Flughafen-Code SPC um die Griffe.

Unter den missbilligenden Blicken der Crew kamen Martin und ich als Letzte an Bord, denn ich konnte mich im Flughafenshop nur schwer zwischen Alliage von Estée Lauder und Aromatics Elixir von Clinique entscheiden, sprühte von beiden reichlich auf Handgelenke und Hals, legte schließlich Alliage in den Einkaufskorb. Da wir auf eine der Inseln des ewigen Frühlings flogen, passte dieser frische Duft perfekt dazu. Ab morgen würden meine Motorradklamotten nach Jasminblüten und Bergamotte mit einem Hauch edler Hölzer duften.
»Mir wird gleich schlecht von dem Gestank«, maulte Martin.
Kaum saßen wir auf den Plätzen 23 E und 23 F, erspähten auch die anderen Passagiere der rechten Sitzreihe eine nagelneue feuerrote BMW F 650 auf einem Transporter mit Hebebühne Richtung Laderaum rollen. Das Motorrad thronte fest verzurrt auf einer Palette, der Wind spielte mit den losen Enden der Spanngurte.
»Guck mal, da kommt unser Motorrad«, freute ich mich und tippte mit dem Zeigefinger gegen die Fensterluke.
Der Transporter stoppte vor dem Laderaum des Jets, und die Hebebühne brachte die BMW – von begeisterten Aaahhhs aus der rechten Sitzreihe begleitet – auf die passende Verladehöhe.
»Macht bloß keinen Kratzer rein, Jungs«, flüsterte Martin, als Fahrer und Beifahrer ausstiegen. Sie blickten mit zu Schlitzen verengten Augen zur Ladeluke hoch, und der Beifahrer sprach etwas in sein Funkgerät. Dann stiegen beide wieder ein und ließen die Hebebühne runter.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte ich irritiert, denn der Transporter fuhr mit (!) Motorrad wieder Richtung Flughafen zurück – diesmal von enttäuschten Ooohhhs aus der rechten Sitzreihe begleitet.
Ich war verwirrt, starrte wie gebannt auf das davonfahrende Motorrad. Meine Gedanken flatterten umher wie ein Schwarm aufgescheuchter Tauben. Martin alarmierte eine Stewardess.
»Ich hör mal nach«, versprach sie und verschwand Richtung Cockpit.
Als das Flugzeug plötzlich anrollte, war sie noch nicht zurück. Von Panik ergriffen, lösten Martin und ich die Sicherheitsgurte, sprangen von unseren Plätzen 23 E und 23 F auf und rannten Richtung Cockpit. Ohne unser Arbeitsgerät konnten und wollten wir nicht fliegen! Einige Passagiere reckten die Hälse nach uns.
Wie auf ein geheimes Zeichen war die restliche Crew sofort auf den Beinen, zwang uns, unsere Sitzplätze wieder einzunehmen. Dachten die, wir würden das Flugzeug entführen?
Der Chefsteward versicherte beim Anschnallen, dass der Kapitän über Funk die Lage klären würde. Aber wann? Das Flugzeug stand mittlerweile auf der Startbahn, ready to take off! Er klang wie ein Arzt, der trotz Krebsdiagnose Heilung versprach. Als der Jet schließlich abhob, half nur noch Hochprozentiges.

Etwa fünf Stunden später landeten wir mit schlechter Laune, dafür ohne Motorrad, auf La Palma. Der Kapitän hatte über Funk nichts erreicht. Die BMW stand nach wie vor fest verzurrt in Düsseldorf auf der Palette. Unser Nervenkostüm war löchrig wie ein Fischernetz.
Wie sollte es nun weitergehen? Die exotische Reisereportage, für das Märzheft fest eingeplant, fiel damit ins Wasser und riss ein Loch in die ausgeklügelte Planung. Und der Tourentest? Den würde ein Kollege übernehmen müssen, denn Martin und ich saßen hier erstmal fest und hatten nichts, was wir hätten testen können!
Sofort nach der Gepäckausgabe hängten wir uns ans Telefon. Nach mehreren Anrufen in der Redaktion, die wiederum mit der Düsseldorfer Pressestelle in Kontakt stand, hatten wir nach einer Ewigkeit die Erklärung: Die Fluggesellschaft setzte auf dieser Strecke seit einer Woche kleinere Maschinen ein, wegen Nachsaison. Und das hatte man in der Pressestelle ganz einfach übersehen.
Wir verfluchten die Nachsaison. Jetzt nur nicht durchdrehen.
Reiner Nitschke hatte in Erfahrung gebracht, dass ein Motorradtransport nach Gran Canaria möglich war und fragte, ob wir denn auch eine Reportage über die drittgrößte Insel der Kanaren machen würden? »Die BMW könnte mit der ersten Maschine morgen Früh dort sein.«
Nun galt es, professionell zu denken. Auf der Habenseite standen sechs Tage Zeit für die Geschichte, ein früherer Urlaub in Playa del Inglés und dass noch heute Abend ein Flug nach Gran Canaria ging. Dagegen sprach, dass wir keine Zimmerreservierung hatten, keine Reiseführer für diese Insel, geschweige denn eine Landkarte. Das Internet oder Wikipedia existierten noch nicht – wir sagten zu.

Der Flug mit dem Inselhopper dauerte etwa zwanzig Minuten. Jeder Passagier bekam – für uns wäre eigentlich Abendbrotzeit gewesen – ein Pfefferminzbonbon.
Obwohl mein Magen lautstark protestierte und nach Essen schrie, jonglierte die kreative Hälfte meines Gehirns fröhlich mit Bildern: hohe Palmen, trockene Wüsten, wilde Küstensteifen, schroffe Berge, exotische Kakteen …
Es war bereits nach 20.00 Uhr, als der Taxifahrer auf Gran Canaria, von uns nach einem freien Zimmer gefragt, den Kopf schüttelte und lachte.
»Was, nicht mal in der Bettenburg Playa del Inglés?«
Wieder schüttelte er den Kopf.
»Aber jetzt ist doch Nachsaison!«, protestierte ich.
»Nicht auf Gran Canaria. Hier ist immer Hauptsaison.«
Uns war zum Heulen zumute.
Dennoch hatten wir Glück. Das erste Mal an diesem Tag voll Pleiten, Pech und Pannen. In dem Örtchen La Estrella, nördlich des Flughafens, drückte uns der Portier um 21.00 Uhr den ersehnten Schlüssel in die Hand. Das gemütliche Zimmer im Hotel Bahia-Mar war leider nur für diese eine Nacht frei.
Egal. Morgen würden wir uns auf der Tour im Landesinneren etwas anderes suchen.

Der Taxifahrer, der uns am nächsten Morgen zum Flughafen brachte, bemerkte, dass wir Deutsche sind und deutete auf den Tacho seines Mercedes: Über 400.000 gefahrene Kilometer standen auf der Uhr. »Allemaña, serr gutt!«, strahlte er über das ganze Gesicht und hielt den rechten Daumen hoch.
Die F 650 landete tatsächlich wie versprochen auf dem Aeropuerto de Gran Canaria mit einer Maschine, deren Frachtraum für einen solchen Transport groß genug war. Soweit, so gut. Aber der Zoll verweigerte die Herausgabe. Warum? Keine Ahnung!
Ich verbrachte den ganzen Tag in voller Montur wartend und auf unser Gepäck aufpassend auf unbequemen Stühlen und Bänken des Flughafens, fühlte mich wie Billy Crystal in der Filmkomödie Vergiss Paris. Da half es auch nicht, dass meine Motorradklamotten nach Jasminblüten und Bergamotte mit einem Hauch edler Hölzer dufteten. Ein Trost: Billy Crys??tal war noch schlechter dran gewesen. Seine Airline hatte den Sarg mit dem verstorbenen Vater verloren.
Martin hetzte zwischen Zoll, Fluggesellschaft und mir hin und her. Füllte Papiere aus. Ließ sie abstempeln. Bekam immer wieder neue Formulare in die Hand gedrückt. Die Mitarbeiter der Fluggesellschaft zuckten mitleidig die Schultern: Auf den Zoll habe man keinen Einfluss. Ich jammerte, weil draußen ideale Fotobedingungen herrschten und mir durch diese Verzögerung viele tolle Bilder durch die Lappen gingen.
Von all dem unbeeindruckt schloss das Zollbüro pünktlich um 15.00 Uhr. Wir hatten immer noch kein Motorrad und immer noch keine Ahnung, weshalb das so war.
Wieder Taxi fahren. Zimmer suchen. Ein Déjà-vu.
In der Hauptstadt Las Palmas bezogen wir im teuersten Hotel das teuerste Zimmer. Eine Suite, in der sogar Madonna sich wohl gefühlt hätte.
Egal. Morgen würden wir uns auf der Tour im Landesinneren etwas Passenderes suchen … oder?
Als kleine Entschädigung für diesen Tag voller Niederlagen fanden wir an der Strandpromenade Las Canteras eine ausgezeichnete Tapasbar. Mit Genuss verschlangen wir in Kräuteröl eingelegte Oliven, Tomaten mit Thunfischfüllung, Gambas in Knoblauch-Weißwein-Sauce, frisches Weißbrot und und und. Dazu nach Schwarzen Johannisbeeren schmeckenden Vino Tinto aus Santa Brigada, wo der beste Rotwein der Insel wächst.

Auch an Tag zwei weigerte sich der Zoll beharrlich, das Motorrad freizugeben, von der Aktion Fly-and-Bike habe man auf Gran Canaria noch nie etwas gehört. Bei der Fluggesellschaft kollektives Schulterzucken. Abwechselnd erläuterten Martin und ich den Zollbeamten in allen uns bekannten Sprachen den Reportageauftrag, die Notwendigkeit des Motorrades dafür, den verbleibenden knappen Zeitrahmen. Bettelten. Flehten.
Nützte alles nichts. Die Kanaren liegen nah an Afrika. Hier gehen die Uhren anders. Außer um 15.00 Uhr. Da schloss das Zollbüro pünktlich.
Martin alarmierte die Redaktion, schilderte unsere verfahrene Lage. Der Chefredakteur sollte Druck machen in Düsseldorf, mit schlechter Presse und Erstattung aller anfallenden Kosten drohen. Daraufhin versprach die Fluggesellschaft, morgen einen ihrer Agenten vor Ort einzuschalten. Einen Agenten? 007?
Die Suite in Las Palmas blieb das einzig freie Zimmer auf dieser Seite der Insel. Wir erkundigten uns vorsichtshalber, für wie lange noch … man weiß ja nie.

Tag drei. Erneut im Taxi zum Flughafen. Wir waren auf Gran Canaria bisher mehr Taxi als Motorrad gefahren. Inzwischen ignorierten wir die fragenden Blicke der Chauffeure wegen des Motorradoutfits, der ungewöhnlichen Koffer und der Helme.
Immerhin stand der Agent pünktlich am Treffpunkt, hieß Felipe Navarro und nicht James Bond, sprach ausgezeichnet Deutsch und versprach, dass wir spätestens in einer Stunde im Sattel unserer BMW sitzen würden.
Felipe schlenderte mit uns zum Zoll. Er plauderte jovial mit den Leuten und packte überlegen einen Stapel Formulare auf die Theke. Nach einer Stunde verlor Felipe die Geduld und wurde laut. Nachmittags wünschte er allen die Pest an den Hals und bestach schließlich kurz vor 15.00 Uhr die Beamten mit einer uns unbekannten Summe.

Und dann geschah das Wunder: Am nächsten Morgen glänzte die F 650 am Tor des Zollbüros in der Sonne – jetzt aber los! Oder doch nicht? Von den sechs Tagen waren bereits drei verloren, und uns blieben lediglich drei Tage für diese Reisereportage und den Tourentest. War das zu schaffen?
Martin und ich nahmen die Herausforderung an. Brausten über die Insel, besichtigten und fotografierten im Akkord. Zum Glück blieben die Wetterbedingungen ideal.
Gran Canaria ist eine traumhafte Insel vulkanischen Ursprungs mit exotischem Bewuchs. Im Süden liegen feine Sandstrände und die Dünen von Maspalomas, die der Wind seit Jahrhunderten Korn für Korn aus Saharasand formt. Im Norden schlängeln sich an den Fels geklatschte Sträßchen hoch über der spektakulären Steilküste und öffnen atemberaubende Ausblicke auf die bizarren Felsen und das dunkelblaue Meer. Deshalb fiel es mir nicht schwer, reichlich gute Fotos zu schießen.
Unglaublich aber wahr: Das einzig freie Zimmer auf der gesamten Insel blieb die Madonna-Suite im Hotel Sol in Las Palmas. Wir verfluchten diesmal die Hauptsaison, weil wir abends erschöpft und ausgelaugt noch endlose Kilometer in die Hauptstadt zurückfahren mussten.
Trotzdem. Die F 650 machte richtig Spaß, der Einzylinder erledigte seine Aufgabe perfekt. Martin und ich genossen diese drei langen Tage und kurzen Nächte sehr. Profis müssen eben auch unter erschwerten Bedingungen Ergebnisse liefern.

Am Abflugtag verabschiedete sich das Hotelpersonal herzlich von uns. Der Manager bewunderte den deutschen Fleiß und den eisernen Willen, eine gute Reportage abzuliefern trotz der Knüppel, die man uns von Anfang an vors Vorderrad geworfen hatte.
Eine letzte Fahrt zum Flughafen.
Beim Einchecken ging alles klar, bis Martin fragte, wohin er das Motorrad denn bringen solle.
»Welches Motorrad?« Erstaunte Gesichter hinter dem Schalter der Fluggesellschaft. Von einem Motorradtransport in dieser Maschine wusste man nichts. Kollektives Schulterzucken.
»Vor dem Eingang steht eine rote BMW«, sagte Martin selenruhig und legte den Zündschlüssel auf den Tresen, »wir beide steigen jetzt auf jeden Fall in dieses Flugzeug und fliegen nach Hause. Uns ist egal, wie das Motorrad nach Deutschland zurückkommt.«
Zwei Tage später rief die Fluggesellschaft in der Redaktion an. Die BMW stehe in Düsseldorf zur Abholung bereit.
Im Märzheft erschien wie geplant unsere Gran-Canaria-Reportage, groß aufgemacht über vierzehn Seiten mit wunderschönen Fotos und einem packenden Text. Mein Palmenmotiv schmückte sogar den Kalender, was beim Tourenfahrer eine Anerkennung ist.
Von Fly-and-Bike hörten wir nie wieder etwas.


Übrigens …

… trafen wir auf einem Parkplatz mit Aussicht einen speziellen Urlauber. Einen jungen Mann. Ende Zwanzig. Er unternahm mit seiner Freundin einen Tagesausflug in Gran Canarias Norden.
Der verbeulte Mietwagen stand bereits da, als Martin die BMW aus der Kurve scheuchte und zum Aussichtspunkt der Anden Verde, einer steilen Küstenstraße, dirigierte.
Sofort kam der junge Mann, seine Begleitung an der Hand hinter sich herziehend, auf uns zugelaufen. Klar, jetzt kommt die übliche Frage ob wir mit der Fähre da seien, dachte ich. Falsch gedacht.
»Gerade sagte ich zu meiner Freundin, dass man die Tour idealerweise mit der neuen F 650 machen sollte und nicht mit so einem Scheiß Panda! Und plötzlich erscheint ihr. Wie eine Fata Morgana.«
Er konnte es nicht glauben, uns hier anzutreffen, drehte eine Runde um das Motorrad, erklärte der Freundin mit großen Gesten das Prinzip Einzylinder.
»Moment mal«, fiel ihm plötzlich ein, »dieses Motorrad gibt es doch noch gar nicht zu kaufen!« Misstrauen und Neugierde blitzten in seinen Augen.
Kluges Kerlchen. Der junge Mann stellte sich als Ingenieur bei BMW München vor. Wir erzählten ihm, wer wir waren, vom Tourentest, der Reisereportage und der Aktion Fly-and-Bike.
Wenig später verabschiedeten wir uns alle herzlich voneinander. Martin und ich brausten die spektakuläre Anden Verde weiter. Das Paar eierte zurück nach Playa del Inglés.

 

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