Reisetipp: Normandie

Allgemeines

Weiße Kreidefelsen, sandige Strände, schnuckelige Hafenstädtchen, grüne Wiesen, glückliche Kühe, leckerer Käse, verträumte Küstensträßchen – die Normandie müsste es eigentlich auf Rezept geben. Um sich vom Alltagsstress zu erholen, mal zwei Wochen die Seele baumeln zu lassen, ohne Hetze Motorrad zu fahren, um sich entspannt in die Kurven der unzähligen winzigen Landstraßen zu legen, die die Normandie durchziehen. Für Schräglagensucher ist die Normandie gewiss nichts, keine Berge, keine Pässe, keine Serpentinen. Wer jedoch eine ganz typisch französische Region sucht, wo man selbst in der Hochsaison vor Menschenmassen sicher ist, der wird hier seine Freude haben.

Anfahrt

Von Köln aus über Brüssel nach Ostende und dann an der Kanalküste entlang, schlägt der Routenplaner vor. Kostet in Frankreich aber Autobahngebühr. Die längere Alternative auf Nationalstraßen durch das nordfranzösische Kohlenrevier ist umsonst. Klare Sache – die französische Provinz hat auch ihren Reiz.

Côte d'Albâtre

So nennt sich der östlichste Küsterstreifen der Normandie. Alabasterküste, weil das milchige Licht hier die Landschaft immer in Alabasterfarben taucht.
Am späten Nachmittag kommt in Mers-les-Bains zum ersten Mal das Meer in Sicht. Der Ort liegt haarscharf auf der Grenze zwischen der Picardie und der Normandie. Mit der Ankunft der Eisenbahn wurde 1872 aus dem Fischerdorf ein Seebad, das wegen seiner Belle-Epoque-Villen noch heute in ganz Frankreich berühmt ist. 600 von ihnen sind über Mers verteilt, die meisten stehen an der Uferpromenade: Holzbalkone, Loggias, Bogenfenster und Namensschilder aus Keramik.

Pausenstopp in erster Reihe direkt vorn am Meer. Das Motorrad steht auf einer Pkw-Parkfläche. Wie schon vor 140 Jahren stehen weiße Badehäuschen in Reih’ und Glied auf dem hellgrauen Kiesstrand und können saisonweise gemietet werden. Zu unserer Ankunft holt die Natur den großen Pinsel heraus und malt über den von der Sonne angescheinten Häuschen einen schwarzblauen Himmel. Später schlendern wir durch Mers, trinken für moderate 1,80 Euro einen „Café“, wie die Franzosen lapidar den Espresso nennen.
Ein Katzensprung ist es von Mers-les-Bains hinüber nach Le Tréport. Schläft das beschauliche Mers gerade seinen Nebensaisonschlaf, so ist der Fischerhafen Le Tréport ganz anders gestrickt: quirrlig, herzerfrischend ruppig, nicht so pittoresk wie Mers. Aus den Türen der Cafés, Restaurants und Bars entlang der Hafenpromenade weht der Duft von Fisch und Knoblauch. Wir kaufen in einer Bäckerei zwei mit Schinken und Käse belegte Sandwiches für je 3,50 Euro und zwei mit viel Butter gebackene „Sablés“ für je 90 Cent, setzen uns am Ende der Promenade auf die Stufen vor dem Casino und machen mit Blick hinüber auf Mers-les-Bains Picknick. Dabei sind wir nicht allein – Picknick hat in Frankreich eine lange Tradition.Ein schmales, kurviges Sträßchen führt durch das Seilmacherviertel mit seinen langen Gassen zum Hausfelsen von Le Tréport hinauf. Großartige Aussicht auf die Steilküste mit ihren hellen Kreidefelsen. Früher stand hier oben ein Luxushotel. Die Deutschen sprengten es während des Krieges, es versperrte ihnen wohl die Visierlinie.
Direkt am Meer entlang geht es in das winzige Criel Plage. Kiesstrand flankiert von zwei Kreidefelsen, etwas Gastronomie. Danach weiter nach Westen mit Zwischenstopp in Dieppe. Zusammen mit Le Havre gehört Dieppe zu den am meisten unterschätzen Städten an der Normandieküste. Das Bike wird auf dem Parkplatz vor dem „Syndicat Mixte du Port de Dieppe“ umsonst abgestellt. Der Fußweg in die City ist kurz, der erste Kaffee unter Einheimischen im „Café des Voyageurs“ stark. Für ein herrlich buttriges Croissant nimmt der Patron 1,10 Euro – kann man nicht meckern.
Der Spaziergang durch Dieppe mit seinen Arkaden, Reederhäusern, Gassen und seiner breiten Strandpromenade macht hungrig. „Le tout va bien“ – alles wird gut, heißt das Restaurant, das bis auf den vorletzten Tisch mit Franzosen belegt ist. Den letzten ergattern wir. Sonntags geht der Franzose traditionell essen, und wir wollen es ebenso halten: Unter der Woche kalt aus der Hand, am Wochenende warm bei Tisch. Und im „Le tout va bien“ wird tatsächlich alles gut: Für zwei Fischgerichte, zwei Glas Sauvignon Blanc und zwei Apfelkuchen liegen 38 Euro im Zahltellerchen. Plus zwei Euro Trinkgeld für das ausgezeichnete Essen und den freundlichen, schnellen Service.
Weiter Richtung Westen. Wie hineingemalt liegen die Badeorte versteckt zwischen hohen Kreidefelsen an winzigen Buchten. Schmale, steile Stichsträßchen zirkeln hinab, selbst für dicke Reisedampfer eine leichte Übung.
Auch Fécamp gehört zu diesen Küstenstädten, die sich erst auf den zweiten Blick offenbaren, die erobert werden wollen. Hafenstädte tun sich eben schwer gegen Badeorte, ihnen fehlt die Idylle, sie sind nicht familienkompatibel. Wir stellen das Motorrad an der Mole ab, spazieren einmal rund um den Hafen, an der Strandpromenade hinaus bis zum Stadtrand, wo schon Monet dieses berauschende Panorama aus Felsen, Wellen und Himmel malte. Dasselbe wieder zurück, und man liebt Fécamp.
Sicher auch wegen seines Kräuterlikörs, 1510 von Benediktinermönchen als Arznei erfunden. Heute sitzt die Produktion in einem pompös verspielten Bau aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Neben der Probierstube wartet ein Wintergarten im Kolonialstil, wo man sich in Korbstühlen unter Palmen und Bananenstauden fühlt wie vor 200 Jahren irgendwo in Französisch-Guayana. Für die 0,7-Liter-Flasche des 38 Prozent starken „Bénédictine“ nehmen die Mönche 18,95 Euro – wie gut, dass das nächste Vergnügen, das Fécamp bietet, umsonst ist: Eine Wanderung auf dem Küstenwanderweg.
Dieser GR 21, der „Sentier de Grande Randonnée“ Nr. 21, schlängelt sich von Le Tréport bis Le Havre direkt an der Steilküste entlang und ist Teil eines Netzes von Fernwanderwegen, die rund um die gesamte französische Küste führen und auf alten Napoleonischen Zöllnerwegen basieren. Die Grenzer des Kaisers nutzten diese Wege, um Schmuggler abzufangen, die von See her anlandeten.
Vom Hafen aus geht es über steile Wege und Treppen hinauf zum Cap Fagnet und einer beeindruckenden Aussicht auf Fécamp. Dann an der Kante der Kreidefelsen entlang solange man Lust hat. Oder von einem der plötzlich einsetzenden normannischen Regengüsse zum Umdrehen gezwungen wird.
Ungewohnt ist die restaurierte Radaranlage auf dem Cap Fagnet. Ungewohnt, weil die deutschen Bunker an der französischen Kanal- und Atlantikküste nach dem Krieg jahrzehntelang sich selbst überlassen waren. Zuerst fehlte das Geld, um die robusten Stahlbetonkästen abzutragen. Danach ignorierte man sie. Jetzt beginnen Behörden und Privatleute, sie zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Offensichtlich ist inzwischen genügend Zeit vergangen, um sich dem Thema Zweiter Weltkrieg ohne Ressentiments zu nähern. Wie auf dem Cap Fagnet, dessen Bunker begehbar und mit Tafeln zu ihrer Geschichte versehen sind.

 

Auf schmaler aussichtsreicher Küstenstraße nach Etretat. Mit seinen majestätischen Kalkklippen, seinen aus dem Meer ragenden Felsnadeln und Rundbögen ist Etretat ein Muss – Tourismus hin oder her. Parkplätze fürs Motorrad finden sich im Zentrum überall. In einer Crèperie in einer Seitengasse wandern zwei Crèpes für reelle 6,50 Euro über den Tresen. Vorn an der Promenade reichen die nicht, denn auch in Frankreich gilt: Mit jedem Meter weg von der touristischen Bühne werden Essen und Trinken um einen Cent billiger.
Vorüber an Fischerbooten, die immer noch wie vor 200 Jahren auf dem Kiesstrand liegen, geht es hinauf zur „Falaise Amont“ und „Falaise Aval“. Die Pfade sind Teil des GR 21 und gut in Schuss. Dennoch verspürt der Nicht-Schwindelfreie immer wieder ein Ziehen im Magen. Der sich hoffentlich auf dem Rückweg wieder beruhigt. Denn in der Pizzeria „L’Aiguille Creuse“ am Place de Gaulle hinter der Promenade bekommt er ein klasse Essen zu vernünftigem Preis vorgesetzt. Kein Vergleich zu den Touristenfallen vorn am Meer.
Vorbei an Bruneval, wo die Engländer 1942 in einem schneidigen Kommandounternehmen von See her den Deutschen ein komplettes Radargerät vor der Nase wegklauten, rollt das Motorrad auf einer dieser kerzengeraden französischen Landstraßen nach Le Havre. Le Havre entspricht so gar nicht dem Klischee der schmuddeligen Hafenstadt. Le Havre ist sauber, sicher, hell und modern. Im Krieg komplett zerbombt und danach vom Architekten Perret mit Spannbeton wieder aufgebaut, gehört „Centre ville“ als einziges Stadtensemble des 20. Jahrhunderts zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ganz Le Havre ist grün und bunt, die alten Docks wurden zu Ausgehmeilen, in der Einkaufsstraße Rue de Paris drängt sich das Volk. Ebenso wie in der Markthalle, an deren Ständen dem Fremden die Augen übergehen.
Das Navigationsgerät nimmt am folgenden Tag den Befehl „keine Straßengebühren“ ernst, umgeht die beiden mautpflichtigen Brücken über die Seine und führt uns über Port Jerôme zu einer kostenlosen Fähre. Danach ein paar Kilometer Landstraße, dann ist Honfleur erreicht, der Lieblingsferienort der Pariser. Ob Honfleur wirklich der schönste Hafen der Normandie ist? Nah dran auf jeden Fall. Der quadratische Alte Hafen aus dem 17. Jahrhundert, das „Vieux Bassin“, wird von hohen Bürgerhäusern eingerahmt, die heute im Erdgeschoss zu 90 Prozent Geschäfte oder Gastronomie beherbergen. Dort kostet der „Kir“ zwar den Honfleur-erste-Reihe-Zuschlag, dafür sind Stimmung und Blick unvergleichlich.
Sie sind bestimmt keine eineiigen Zwillinge, die beiden durch das Flüsschen Touques getrennte Städte Deauville und Trouville. Zu verschieden im Aussehen, zu unterschiedlich im Charakter. Im mondänden Deauville geht es ums Geld, im urigen Trouville um den Esprit, den Geist. Nicht umsonst zog es Dichter, Sänger und Schauspieler immer schon in die Kneipen und Gassen von Trouville statt auf die berühmte Strandpromenade von Deauville.
Obwohl die „Planches“, die Holzdielen, wie die drei Kilometer lange Promenade genannt wird, immer einen Spaziergang wert ist. Man schlendert wie Clark Gable oder Brigitte Bardot auf dem geschichtsträchtigen Holz, kommt an den weißen Badekabinen mit den Namen berühmter Künstler vorbei, bewundert die vielen Belle-Epoque-Villen, das von Patricia Kaas besungene Hôtel Normandy und das glamouröse Casino.
Wirkt Deauville außerhalb der Saison verlassen, so lebt Trouville das ganze Jahr über. Der Hafen, die Altstadt, die Kneipenzeile, die Imbisse, die Meeresfrüchte- und Fischläden mit ihren Stehtischen auf dem Gehweg, an denen die Pariser Zweitwohnungsbesitzer mit pinkfarbenen Pullovern und teuren Sonnenbrillen Austern und Champagner schlürfen und mit den Kellnern einen auf Kumpel machen.

 

Côte Fleurie und Côte de Nacre

An die Alabasterküste schließen die Côte Fleurie und die Côte de Nacre an. Keine Steilfelsen mehr, dafür unendlich lange Sandstrände. Zwischen Seebäder mit herausgeputztem Fachwerk schmuggeln sich fettgrüne Wiesen, glücklich weidende Kühe und Armeen von Apfelbäumen.
Vormittagsspaziergängen am Strand folgen zünftige Mittagessen auf den Bänken der Promenaden, Nachmittagsspaziergängen am Strand folgen stimmungsvolle Aperitifs auf den Terrassen kleiner Bistros. Schöner sitzt man vor den teuren Hotels auch nicht.

Das kriegerisch geschmückte Panorama-Kino kündigt es an: Arromanches ist das touristische Epizentrum der Landungsstrände. Auf dem 80 Kilometer langen Küstenstreifen zwischen Ouistreham im Osten und Ste-Mère-Eglise im Westen landeten am 6. Juni 1944 154.000 amerikanische, englische und kanadische Soldaten, um Hitlers Atlantikwall zu knacken. Wer glaubt, die Invasion sei seit 80 Jahren vorüber, täuscht sich – sie ist nach wie vor in vollem Gang. Glücklicherweise friedlich stürmen heute Bus- und Wagenladungen von Invasions-Urlaubern die Küstenorte mit ihren Museen, Denkmälern und Friedhöfen. Die Bevölkerung hat sich damit arrangiert, dass hier im Sommerhalbjahr mehr englisch als französisch gesprochen wird, und lebt ganz gut vom D-Day-Tourismus.
Auch ein Stück weiter in St. Laurent rollen am Omaha-Beach Bus nach Bus, Auto nach Auto an. Schulklassen, College-Semester, Armee-Einheiten. Die Amerikaner auf der Suche nach Kriegsfolklore, die Engländer eher an militärischen Fakten interessiert.
Einige Anlagen wie der US-Militärfriedhof von Colleville und die deutschen Befestigungen an der Pointe du Hoc werden von der American Battle Monuments Commission finanziert und unterhalten. Ein Hauch von Disneyland weht über ihnen: zu zahlreich die Flaggen, zu protzig das Besucherzentrum, zu schwülstig die Texte, zu viele „My Grandfather ... – Geschichten“.

 

Ganz anders die ehemalige deutsche Marinebatterie Crisbecq im Hinterland bei St. Marcouf. 2004 von zwei Franzosen gekauft und für einen sechsstelligen Betrag restauriert, zeigt die Anlage überraschend objektiv und ohne Nationaltümmelei den Kriegsalltag. Beim Gang durch die alten Laufgräben und Bunker ist selten ein amerikanischer Akzent zu hören. „Die Amerikaner“, erklärt Madame an der Kasse, „wollen seit dem Film ‚Der Soldat James Ryan’ nur Omaha-Beach sehen. Die anderen Landungsstrände interessieren sie nicht.“ Weshalb haben zwei Franzosen hier so viel Geld investiert? „Das ist unsere jüngste Geschichte. Die wollen wir bewahren.“ Ressentiments? „Nein, keine. Diese deutschen Soldaten wären erschossen worden, hätten sie sich geweigert zu kämpfen.“
Die, die kämpften, wurden trotzdem erschossen. 21.000 von ihnen liegen auf dem deutschen Militärfriedhof von La Cambe. Sprachlos geht der Besucher an den schlichten Steinkreuzen vorbei. Selbst die Abgebrühtesten wischen sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Wie kann ein Politiker, der das hier gesehen hat, noch Menschen in den Krieg schicken?
Weiter Richtung Westen lässt das Interesse an der Invasion nach. Das kleine Ranger-Museum in Grandcamp-Maisy wirkt verlassen. Den Kaffee im „Café du Port“ unter Fischern mit kantigen Gesichtern und speckigen Jeans gibt es am Tresen für nur 1,20 Euro, weil der Patron einen Weg spart. Butter und Camembert auf dem Baguette schmecken mal wieder unvergleichlich gut. Wieso eigentlich?
Die Antwort wartet ein Stück weiter südlich in Isigny. Dort rollt die Maschine auf den Hof eines modernen Zweckbaus am Stadtrand. Hier macht die „Coopérative d’Isigny“ aus der Rohmilch frei weidender Kühe Butter, Käse, Joghurt, Quark, Eis und Bonbons. Nach Betreten des Ladenlokals ist klar: Das Loch im Budget wird groß. Allein acht verschiedene Sorten Camembert stehen in der Vitrine. Dazu Brie, Weich-, Hart- und Bergkäse, süße und gesalzene Butter. Und erst das Eis. Für einen Euro gibt es eine große Portion Softeis in drei Geschmacksrichtungen. Einhellige Meinung der Motorrad-Besatzung: Bestes Eis der Welt. Weshalb? Die Damen hinter der Theke kennen sich aus: „Die Kühe in der Normandie sind den ganzen Tag auf den Weiden, wo sie ausschließlich das Gras der salzhaltigen Böden fressen. Keine Massentierhaltung, kein Industriefutter. Deshalb geben sie diese gute Milch.“

 

Cotentin-Halbinsel

Nächster Stopp in Barfleur. Das Hafenstädtchen liegt im Nordosten der Cotentin-Halbinsel. Von hier aus rückte Wilhelm der Eroberer im Jahr 1066 zur Besetzung Englands aus, das Mittelalter erscheint einem beim Bummel zwischen den granitfarbenen Renaissance-Häusern noch lange nicht vorüber.
Die Cotentin-Halbinsel ist erfrischend untouristisch, was sich in den Preisen und der Höflichkeit der Menschen widerspiegelt. Die Region ist einfach zu weit von den Metropolen entfernt, um als Urlaubsgebiet eine Rolle zu spielen. Selbst das saubere, freundliche und liebenswert zurückhaltende Cherbourg liegt ein bisschen am Ende der Welt. Parkplätze für Zweiräder finden sich jede Menge, wie in allen französischen Städten. Man kommt schnell mit den Kollegen ins Gespräch. Der Tipp der Einheimischen: Wir sollen in die Rue des Portes gehen. Dort gibt es die echten handgemachten Regenschirme, die seit dem Musikfilm „Les parapluies de Cherbourg“ aus dem Jahr 1964 in ganz Frankreich ein Begriff sind. 110 Euro kostet das Standardmodell „Ville“. Dafür widersteht der Schirm Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h (www.parapluiedecherbourg.com). Klingt toll, aber wie sollen wir den Schirm in die Koffer kriegen? Die Lösung: Wir schnallen ihn auf der Packrolle fest. Passt.
Am einsamsten, aber auch am schönsten zeigt sich der Cotentin im äußersten Nordwesten am Cap de la Hague. Auf dessen engen, kurvenreichen Aussichtsstraßen ist der Kastenwagen in seinem Element. Hinter jeder Biegung tun sich neue Panoramen auf – klitzekleine Fischerdörfer, weiße Sandstrände, steile Granitfelsen, bunte Ortschaften mit Gärten voller blühender Rosen und Hortensien. Spazieren fahren, anhalten, schauen. Das Leben verläuft hier oben einen Takt langsamer, man lässt sich davon gerne anstecken.
In Gréville-Hague empfiehlt sich ein Abstecher zum Geburtshaus des Malers Jean-Francois Millet, anschließend kann man sich mit Baguette, Schinken und Croissants aus dem winzigen Lebensmittelgeschäft eindecken. Brot und Schinken sind mittags die Beilage zur Aussicht an der Baie d’Ecalgrain. Dort fährt das Meer alle denkbaren Blau- und Grautöne auf. Außer uns, ein paar Küstenweg-Wanderern und den Möwen sieht das niemand.
Die Westküste des Cotentin ist der Ausgang aus der Normandie und läutet das Ende der Tour ein. Vom Cap de la Hague im Norden bis Granville im Süden verläuft quasi ein langer Sandstrand. Unterbrochen von einigen wenigen Badeorten garantiert er in der Nebensaison viel Raum, Ruhe und Erholung. Zum Abschluss bummeln wir durch die zauberhafte Altstadt von Granville und genießen die Aussicht von der Zitadelle auf den karibisch anmutenden Sandstrand von Bréville.

 

Mit mehr als einem Tag Zeit im Gepäck sollte man unbedingt einmal von San Marco auf dem Ponte Accademia den Canal Grande überschreiten und im Stadtteil Dorsoduro links hinüber zur Kirche Santa Maria della Salute gehen. Von der Landspitze dort bietet sich der vielleicht schönste Blick auf Markusplatz und Dogenpalast. Danach geht man auf der südlichen Seite von Dorsoduro an der Uferpromenade entlang, genießt die Aussicht auf die Giudecca-Insel und findet quer durch das ursprüngliche Dorsoduro wieder zur Accademia-Brücke zurück. Weitere Tipps: ein Ausflug zur Glasbläser-Insel Murano mit ihren zauberhaften bunten Häusern, ein Spaziergang zur idyllischen und ruhigen Isola di San Pietro ganz im Osten Venedigs sowie ein Bummel entlang der Uferpromenade Fondamente Nuove im Norden der Stadt mit Blick auf die Friedhofsinsel Isola di San Michele.

 

Allgemein

Die Normandie ist etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und liegt im Norden Frankreichs an der Küste des Ärmelkanals. Im Osten wird sie von der Picardie begrenzt, im Westen geht sie in die Bretagne über. Auf der Cotentin-Halbinsel beherrschen einsame, lange Sandstrände die Küste, während weiter östlich steile Kreideklippen für tolle Panoramen sorgen. Das Normandie-Wetter ist entgegen aller Vorurteile nicht schlechter oder besser als anderswo an Nordsee und Ärmelkanal. Die schnell wechselnden Winde machen es allerdings unberechenbar. Die Sommer sind nicht zu heiß, die Winter selten frostig, auf dem westlichen Cotentin gedeihen sogar Palmen und Agaven.
Die Franzosen sind Deutschen gegenüber freundlich, die alten Ressentiments längst vergessen. Wer ein paar Brocken Französisch beherrscht, und sei es nur „ bonjour“, „au revoir“, „merci“ oder „ un café s’il vous plait“, öffnet damit die Herzen der Einheimischen. Preislich liegt die Normandie etwa auf deutscher Höhe, Grundnahrungsmittel sind billiger.

Infos

Atout France, Französische Zentrale für Tourismus, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt/M., E-Mail: info.de@rendezvousenfrance.com. Internet: de.rendezvousenfrance.com.

Verkehr

Der bedächtigen Mentalität entsprechend wird auf normannischen Straßen im französischen Vergleich eher ruhig und umsichtig gefahren. Folgende Tempolimits gelten: innerorts 50 km/h, außerorts 90 km/h, Autobahn 130 km/h. Alkoholgrenze 0,5 Promille. Das Schild „Toutes Directions“ weist dem Durchgangsverkehr den Weg.

Unbedingt besuchen

Palais Bénédictine, 110 Rue Alexandre Le Grand, F-76400 Fécamp, Tel. 0033/235102610, www.benedictinedom.com

360-Grad-Kino, F-14117 Arromanches-les-Bains, www.arromanches360.com

La Pointe du Hoc, F-14450 Cricqueville-en-Bessin, Tel. 0033/231519070

Musée da la Batterie de Cisbecq, Route des Manoirs, F-50310 Saint Marcouf, Tel. 0033/668410904, www.batterie-marcouf.com

Coopérative d’Isigny, F-14230 Isigny-sur-Mer, www.isigny-ste-mere.com

Literatur

Claudie Gallay, Die Brandungswelle, bbt Verlag, ISBN 978-344274-313-3, 9,99 Euro. Die Französin Claudie Gallay beschreibt einfühlsam und stilsicher die Erlebnisse und Erfahrungen einer Aussteigerin aus Paris, die am nördlichen Zipfel des Cotentin ein neues Leben versucht. Wunderschöne Landschaftsschilderungen, atmosphärische dicht.

Peter Lieb, Unternehmen Overlord, CH-Beck-Verlag, ISBN 978-3406-660-71-9, 14,95 Euro. Eines der besten Bücher über die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie. Im Unterschied zu den meisten anderen Werken zu diesem Thema, behandelt das von Peter Lieb auch die deutsche und französische Seite sowie die psychologischen Hintergründe der Kämpfe. Empfehlenswert nicht nur für Militärfans.

Filme

Steven Spielberg, Der Soldat James Ryan, 6,80 Euro. Der Klassiker unter den Invasions-Filmen zeigt äußerst realistisch den Irrsinn des Krieges. Die blutigen Szenen zu Beginn sind sicher nicht jedermanns Geschmack. Dann aber versteht es Spielberg, mit ruhiger Hand jeden Charakter bis in seinen kleinsten Winkel auszuloten. Famos die Besetzung: Tom Hanks, Matt Damon, Vin Diesel, Tom Sizemore.

Ken Annakin, Der längste Tag, 6,80 Euro. Inzwischen zwar ein wenig in die Jahre gekommen, ist der lange Schwarzweiß-Film dennoch nach wie vor sehenswert. Nicht zuletzt, weil darin auch die deutsche und die französische Beteiligung ausführlich gezeigt wird. Legendär die Besetzung: John Wayne, Robert Mitchum, Henry Fonda, Sean Connery, Richard Burton, Curt Jürgens.